Projekt Sehnsuchtsort: Irland - Land gewordene Klischees

Beim Projekt Sehnsuchtsort gibt es heute einen schönen Beitrag von der lieben Daniela, die einen Ort hat, zu dem sich ihr Herz und ihre Gedanken immer wieder verlieren. Irland. 

Schafe, Weite, Wind, Wellen, Klippen, Whiskey, Steinmonumente - das ist wohl das erste, was uns zu Irland einfällt, und alles stimmt.

Sehnsuchtsort-Irland

Ich sitze an der Atlantikküste, am westlichsten Punkt Irlands, sitze und schaue. Mehr mache ich nicht. Gerade ich, die ich normalerweise ohne Betätigung keine fünf Sekunden ruhig sitzen kann, ich sitze und schaue. Nichts weiter. Mein Blick verliert sich in der Weite der grünen, sanften, hügeligen Landschaft. Die Häuser stehen vereinzelt wie die Schafe, verlieren sich über die Klippen hinweg in der Weite des Ozeans. Und manchmal, da sitze ich nur und schaue nicht einmal. Mit geschlossenen Augen höre ich den Wellen zu, wie sie auf die Klippen zurollen, sich daran brechen und wieder zurückziehen, inhaliere ich die salzige Luft. Es gibt nicht viel hier, auf der Halbinsel Dingle. 

Der Ort, in dem ich mich befinde, trägt den Namen Ballydavid, in dem es so mehr Häuser wie Einwohner gibt. 30 Einwohner und viele Häuser. Wochenendhäuser. Es ist nicht ratsam hier zu leben, wenn man noch im erwerbstätigen Alter ist, denn hier gibt es keine Arbeitsplätze, nur Schafe und ab und an eine Kuh. Das bietet nicht genug. Obst oder Getreide wächst hier nicht. Die Luft ist zu salzig, heißt es. Nebenan brüllt ein Esel, durchdringend sein I-Ahh. Beim I einatmen und das Ahh ausatmen. Dennoch klingt es sanft und versetzt mich in einen Zustand außerhalb der Zeit. Ein kleiner Greißler und zwei Pubs, das sind hier die Zentren, so wie in den meisten Orten hier unten im Nordwesten. Viele Touristen kommen hierher, denn immer mehr suchen die Ruhe, suchen Orte, an denen die Zeit still zu stehen scheint. Die Pubs, in denen man sich trifft, denn die Iren sind gesellige Menschen. Der Greißler, bei dem es alles gibt, was man zum Leben braucht. Lebensmittel, Kosmetik. Haushaltsartikel. Auch die Post und die Bank sind darin untergebracht. Braucht man mehr, muss man in die nächstgrößere Stadt fahren.

Ruhe und Gelassenheit – Vokabeln, die sonst in meinem Leben nicht vorkommen, oder zumindest sehr selten. Schon die Anreise bereitete mich darauf vor. Mit dem Zug quer durch Österreich, Deutschland und Frankreich bis zur Küste. Von dort mit der Fähre zur grünen Insel und nochmals mit dem Bus von der Ost- zur Westküste. Stundenlang mit dem Bus unterwegs, das ließ mich sehen, die Weite und die Ruhe zulassen. Zwischen Feldern ging es hindurch, die jeweils mit kleinen Steinmauern voneinander getrennt waren, denn hier nahm man zum Bauen was man hatte. Wenn ein Feld, eine Weide urbar gemacht wurde, dann grub man die Steine aus und verbaute sie zu diesen Steinmauern, die nun auf hundert und aberhundert Kilometern das ganze Land durchziehen. Zuletzt stieg ich aus dem Bus und nahm meinen Rucksack. Ab diesem Moment würde ich das Land zu Fuß durchqueren, von einem Ort zum anderen. Wohl gab es eine vorgegebene Tagesetappe, aber die war jeweils so berechnet, dass es nicht im Eiltempo dahinging, sondern immer wieder Zeit war sich auf das Land einzulassen. Ab und an begegnete ich anderen Wanderern. Aus aller Herren Länder kamen sie hierher und mit allen kam ich ins Gespräch. Manchmal gingen wir ein Stück des Weges gemeinsam, weil es sich eben so ergab, doch zumeist genoss ich die Stille. Es ist gut für sich zu sein, gut, sich Zeit lassen zu dürfen, sich für sich Zeit zu nehmen. 

Auch das Wetter war mir hold, was in dieser Gegend wohl nicht selbstverständlich ist, denn dass ganz Irland wie von einem riesigen Rasen überzogen ist, um den jeder Golfplatz es beneidet, kommt nicht zuletzt von den vielen Regenfällen. Am zweiten Tag meiner Wanderung durfte ich auch das genießen. Auf meiner Tagesetappe hatte ich einen Berg zu überwinden, und gerade als der Anstieg begann, begann auch der Regen, ein anhaltender, vom Wind gepeitschter Regen. Trotz Regenbekleidung war ich bald völlig durchnässt. In diesem Zustand erreichte ich mein Ziel, eine Herberge in einem kleinen Ort. Als mich die Besitzerin kommen sah, drehte sie für mich die Heizung auf, damit ich meine Kleider trocknen könne. Nach einer heißen Dusche fühlte ich mich wie ein neuer Mensch, doch noch schöner war es, im Gemeinschaftsraum mit Tee und Scones bewirtet zu werden. 

Das war nicht ausgemacht, sondern einfach nur Gastfreundschaft. Mein Abendessen nahm ich im angrenzenden Pub ein, in dem auch an diesem Abend Live-Musik gespielt wurde. Nicht nur, dass die Iren ein kunstsinniges Volk sind, es ist auch selbstverständlich, nach wie vor, dass in jedem Pub ein Tisch für Musiker reserviert ist. Jeder, der sich berufen fühlt, darf dort spielen. Ganz egal wie gut oder schlecht die Darbietung ist, es wird immer applaudiert, aus Respekt vor dem Künstler.  Kein Wunder, dass es immer wieder Künstler hierher zieht, unter anderem auch deutsche Schriftsteller wie Heinrich Böll oder Martin Walser. 
Und wenn ich dann am Abend im Pub bei einem Glas Whiskey sitze, dann kommt man auch recht schnell ins Gespräch. Alle Klischees, die so in den Köpfen der Menschen über Irland wohnen, haben sich als wahr erwiesen, und genau das macht das Land zu meinem Sehnsuchtsland.


Findest du Irland auch so schön wie Daniela? 
Wenn auch du gerne beim Projekt Sehnsuchtsort dabei sein möchtest, dann melde dich einfach bei mir. Ich freue mich immer, neue Sehnsuchtsorte kennen zu lernen. 

16 Kommentare

  1. Irland kenne ich nur zu gut!
    Ich habe dort studiert und war seither schon 5 Mal da. Ich finde die Landschaft einfach nur schön, sehr "grün" und es gibt viele Orte, die ich noch nicht gesehen habe. Sehr beeindruckend finde ich die Giants! Da werde ich sicherlich noch mit meinem Gatten hinfahren!

    Schönen Beitrag hast du verfasst!

    Liebe Grüße,
    Alex.

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    1. Mir gefällt Danielas Beitrag auch sehr gut.
      Wow, du hast sogar in Irland studiert? Die Giants sind wirklich sehr beeindruckend.
      Gelesen und gesehen habe ich schon einiges von Irland, aber leider habe ich es noch nicht dorthin geschafft.

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  2. Meine beste Freundin ist nach Irland ausgewandert. Wir sind vor Jahren gemeinsam mit dem Auto durch Irland gefahren. Tolle, grüne Landschaften, nette kleine Orte mit bunten Häuschen! In Killarney sind wir gewandert. Der Gastbeitrag sagt mir, ich sollte wieder hinfahren. :-)

    Lieben Gruß
    Renate

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    1. Oh wie schön. Nach Irland auswandern hat ja wirklich was.
      Klingt nach einem schönen Irland-Trip, den ihr da hattet. Du könntest ja einfach mal wieder deine Freundin dort besuchen, um ein bisschen Irland-Luft zu schnuppern (=

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  3. Ich werde im November für einen Monat nach Irland fliegen und ein Praktikum machen.
    Ich freue mich immer mehr darauf wenn ich solche Artikel lese :)

    Danke :D

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    1. Das klingt ja spannend.
      Vielleicht magst du nach dem Praktikum ja mal erzählen, wie du Irland fandest.

      Liebe Grüße

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  4. Hi :),
    wow ich muss sagen echt ein richtig geiler Beitrag :), du hast das schreiben drauf. :) Bei dir fühlt man sich sofort mitgenommen, ich könnte so etwas nicht. Ich darf ja auch noch einen Beitrag über die Türkei schreiben :), aber leider ohne Info-Material nicht soo gut.:/
    lg Sabrina

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    1. Liebe Sabrina,

      ja, mir gefällt Danielas Gastbeitrag auch richtig gut.
      Klar kannst du sowas auch und kein Stress wegen dem Beitrag zur Türkei. Du warst ja selbst schon mal dort, da kannst du doch auch die ein oder andere Geschichte dazu erzählen. Der Artikel wird dann sicher auch gut werden. Ich bin schon gespannt.

      Liebe Grüße

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  5. Ich war bisher einmal in Irland und habe mich verliebt. Es ist für mich eines der schönsten Länder, auch wenn das Wetter ab und an mal nicht so mitmacht man will. :D

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    1. Schön, dass Irland für dich zu den schönsten Ländern zählt. Dass das Wetter manchmal nicht so mitspielt, wie man gerne hätte, kann einem auch woanders passieren, aber wirklich schlimm ist das ja nicht. Dann plant man einfach ein bisschen um und macht an dem tag eben etwas anderes- regentaugliches (=

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  6. Ich war auf unserer Hochzeitsreise in Irland und liebe dieses Land. Die Natur, die Geografie, es ist einfach alles toll da! Und ich hab mich jedes Mal gefreut, wenn ich Klischees dann auch wirklich wieder erkannt habe :-D

    LG, OktoberKind :-)

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    1. Ja,manchmal erkennt man die sogenannten Klischees dann wirklich wieder. Umso schöner, wenn man dann aber auch noch Dinge erkennt, die einem vorher so vielleicht nicht bewusst waren.

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  7. Sehr schön ;)!

    Zum einen, weil mich Deine Beschreibung der Ruhe, Gelassenheit und dem Zustand, als sei die Zeit stehen geblieben ist, sehr an meinen letzten Frankreichurlaub und Bargéme erinnert. - Ich möchte in so einem Ort nicht unbedingt länger leben wollen, doch zum "zur Ruhe und zu sich kommen" finde ich so was ideal.

    Zum anderen haben mein Freund und ich erst darüber gesprochen, wo wir nächstes Jahr hinfahren wollen. Ich war vor vielen Jahren in Nordirland am Giants Causeway und möchte so gerne noch einmal dorthin bzw. nach Irland.

    "Ballydavid" muss ich jetzt offen gesagt erstmal bei google maps suchen, klingt aber total idyllisch ;)

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    1. Die Beschreibung von Irland passt wirklich gut zu Frankreich bzw zu einigen Regionen dort. Um zwischendurch einfach einmal auszuruhen und die Seele baumeln zu lassen eignet sich Irland sicher wunderbar. Ich drücke die Daumen, dass es dieses Jahr klappt und du wieder zurück nach Irland kannst.

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  8. Dieses "Sitzen und Schauen" kennen wir nur zu gut aus Irland. Das Land verleitet einfach dazu, sich irgendwo einen stillen Ort zu suchen und der Welt beim Sein zuzuschauen. Irland ist ein Land, das Ruhe vermittelt, aber auch ein Land, in dem man sich wohlfühlt. Ein wunderbarer Beitrag von Daniela, dem wir nur zustimmen können.

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    1. Ab und zu gibt es wirklich nichts schöneres, als der Welt beim Sein zuzusehen. Neben Irland gibt es noch so einige andere Länder, die dafür wirklich perfekt zu sein scheinen.
      Schön, dass ihr die Erfahrungen von Daniela teilt.

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